Der alte Weinort Bechtheim liegt in einer Mulde und ist ringsum von Reben umgeben. Nach der Überlieferung hat der fränkische Edelmann BERO im 6. Jahrhundert hier seinen Herrensitz genommen und gründete sein Beroheim, aus dem sich der Name Bechtheim entwickelte.
Durch Funde ist belegt, dass der Ort mit Bestimmtheit viel älter ist. Hockergräber, Gefäße und Steinbeile sind Funde aus der Bronzezeit (2000 bis 800 v. Chr.), die darauf hinweisen, dass die Bechtheimer Gemarkung schon in so früher Zeit besiedelt war.
In der Gewann „Steinsäcker“ wurden 1969 Fundamente eines römischen Gutshofes (Villa Rustica) freigelegt. Zwei im Jahr 1919 ausgegrabene römische Steinsärge können an der Basilika besichtigt werden.
Im 8. Jahrhundert dürfte das Dorf durch Schenkungen in den Besitz des Hochstiftes Lüttich (Belgien) gekommen sein, 1070 bestätigt Heinrich IV. den Besitz in „Bertheim“ mit einer Urkunde.
Die Chorherren begannen um 1020 den Bau der Romanischen Basilika, die dem heiligen Lambertus geweiht ist. Die Kirche ist um 1100 mit einem Wehrturm und im 13. Jahrhundert mit einem Hochchor erweitert worden. Darunter befindet sich der Pilgergang zur Reliquienverehrung. In Deutschland sind nur wenige solcher Anlagen erhalten, so dass die Basilika als das „Kleinod im Wonnegau“ gilt.
Die romanische Basilika in Bechtheim
Auf dem Pilgerpfad, einer Handelsroute, die aus dem Ungarischen nach Aachen führte – oder auch als Jakobs-Pilgerweg nach Santiago de Compostela (Spanien) verläuft – kamen einst viele Wallfahrer in das Dorf. Durch die Wirren der Zeit sind am Bauwerk ottonische, romanische, gotische und barocke Baustilepochen zu erkennen. In der Stollenkrypta befinden sich Ritzzeichnungen aus damaliger Zeit.
Nach einem verheerenden Großbrand 1558 ist das zerstörte Gotteshaus und das Dorf wieder aufgebaut worden, so dass Bechtheim durch die rege Bautätigkeit den Beinamen „Dorf der Herrschaftshäuser“ bekam. Mehr als 20 Adelsfamilien hatten hier ihre Höfe. Am romanischen Kirchturm ist die Jahreszahl 5544, nach Erschaffung der Welt, als Wiederaufbau eingemeißelt.
Bechtheim und die Leininger Zeit
Nach der fränkischen Landnahme (6. Jahrhundert) kam das Dorf im 9. Jahrhundert in den Besitz des Hochstifts Lüttich (Belgien); 1070 bestätigte Heinrich IV. den Besitz in „Bertheim“ mit einer Urkunde. In das sechs Tagesreisen entfernte Stift mussten die Bechtheimer Winzer ihren Wein als Naturalsteuer abliefern. Später bekamen die Herren von Bolanden die Ortschaft zu Lehen bis sie 1267 von den Grafen zu Leiningen beerbt wurden.
Diese übten gleichzeitig als Lehnsinhaber des Lütticher Hofes die Ortshoheit aus und kauften von den Augustinerchorherren im Jahre 1586 für 700 Gulden das Patronatsrecht. Somit konnten sie die Reformation in Bechtheim ungestört einführen und nach eigener Wahl die Pfarrer einsetzen.
Die Leininger Zeit war in besonderem Maße durch Streitigkeiten und gerichtliche Auseinandersetzungen mit den Bechtheimer Untertanen geprägt. Über das Dorf ist belegt, dass sich Graf Emich zu Leiningen in einer Urkunde vom 3. November 1408 bekennt, ihm habe der Pfalzgraf Ludwig auf ein Viertel seiner Grafschaft 4000 Pfund geliehen. Davon habe er bereits 1500 Pfund von dieser Summe zur Lösung der an Hennemann von Sickingen verpfändeten Dörfer Bechenheim, Bechtheim und Guntersblum, verwendet.
Die erste schriftliche Überlieferung über die Bechtheimer Bevölkerung finden wir in einem Sendbericht von 1496. Hierin wird auch der verkommene Bauzustand der Heiligkreuz-Kapelle bemängelt, die vor dem Dorf in Richtung Monzernheim stand.
Historische Karte – Bechtheim um 1600
Bechtheim gehörte fast 600 Jahre den Grafen von Leiningen-Hardenburg, die hier „Haus und Hof“ hatten, wie aus den Morgenbüchern der Gemeinde hervorgeht. Dem Fürstenhaus gehörten noch zahlreiche Grundstücke in der Gemeinde. Die Grafen waren Richter über „Hals und Bein“ und hielten zu bestimmten Zeiten in Bechtheim Gerichtstage ab. Bechtheim wurde Sitz eines Friedensgerichts. Aus dieser Zeit stammt ein altes Gerichtssiegel mit der Unterschrift „FVRSTL. LEINIGE FLECKEN BECHTHEIMER GERICHT INSIG“. Der Prangerstein steht noch heute auf dem Marktplatz, die Richtstätte befand sich westlich des Dorfes in der Gewann „Galgengrund“.
Marktrecht
Im Jahre 1722 verlieh die Gräfin von Leiningen den Bechtheimer Untertanen ein zweites Marktrecht. Sie durften nun im Frühjar und im Herbst einen Markt abhalten. Ein Markt wird auch heute von den Bechtheimern an jedem zweiten Wochenende im September gefeiert. Mit ihm wird seit 1980 das „Weinfest am Pilgerpfad“ verbunden.
Im Mittelalter hatten, außer den Grafen von Leiningen, auch noch andere Adelsfamilien Wohnsitz in Bechtheim. So finden wir hier die Höfe der Dalberger, der von Fleckenstein, von Reifenberg, von Greiffenclau, von Rottdorff, von Falkenstein, von Uexkuell, u.a. mehr. Durch einen verheerenden Brand im Jahre 1558 wurde die Kirche und ein Großteil der Bechtheimer Höfe und Häuser zerstört. Der Wiederaufbau durch den Ortsadel bewirkte, dass Bechtheim eine stadtähnliche Struktur mit Befestigungsanlage bekam. Wenn hier der Graf seinen Einzug hielt, war dies ein großes Ereignis für die Bevölkerung.
In den Rechnungsbelegen des Gemeindearchives sind die hohen Unkosten für die Gästebewirtung, Gastgeschenke und für die engagierten Spielleute nachzulesen. Den Marktplatz zierte ein stolzes Rathaus, das zwei Stockwerke, Türmgen und drei Giebel hatte. An dessen Stelle wurde 1820 ein neues, das jetzige Schulhaus, im klassizistischen Stil errichtet. Die erhaltenen alten Herrenhöfe prägen das schöne Ortsbild in besonderem Maße. Mit dem Ausbruch der Französischen Revolution und dem Einmarsch der Franzosen endete 1795 die Herrschaft der Grafen von Leiningen.
Bechtheim einst „Cantonssitz Bechtheim“
Die Französische Republik führte in den besetzten Gebieten (links des Rheins) ihre Verwaltungsstruktur und das französische Rechts- und Vermessungswesen ein. Durch den Frieden von Compoformio (1797) wurde das linksrheinische Gebiet an Frankreich abgetreten. So gehörte Bechtheim zum Département Mont-Tonnere (Donnersberg) und wurde von 1797 bis 1816 Kantonssitz der übergeordneten Präfektur in Mainz.
Schmitt’sche Karte von 1797, Quelle mapire
Zum Kanton Bechtheim gehörten die Gemeinden Abenheim, Alsheim, Blödesheim (Hochborn), Dittelsheim, Dorn-Dürkheim, Eich, Eppelsheim, Frettenheim, Gimbsheim, Hamm, Hangen-Wahlheim, Hangen-Weisheim, Heppenheim im Loch, Heßloch, Ibersheim, Mettenheim, Monzernheim, Osthofen, Rheindürkheim und Westhofen. Chef der Munizipalität war Bürger Susemihl, seines Zeichens Notar. Adjunkt war Bürger Schad, Essigsieder und Wirt. Zum Bezirksrat des Bezirks Mainz war Bürger Herres ernannt. Der Maire (Bürgermeister), als Präsident, wurde am 13. August 1801 auf die Französische Republik vereidigt.
Der Anschluss an Frankreich bewirkte einen erheblichen wirtschaftlichen Aufschwung (Beseitigung der adeligen Rechtswillkür, der Zollschranken und der Steuerzehnten, Versteigerung der Kirchen- und Adelsgüter). Die dem Ortsadel weggenommenen Güter brachten der Bevölkerung eine langsame Zunahme des allgemeinen Wohlstandes. Ebenso befand sich ein Notariat und eine Apotheke im Ort; die „Pillendreherschnur“ in den alten Sandsteingewänden der Fenster blieb erhalten.
Nach dem Wiener Kongress wurde 1816 das von Frankreich einverleibte Gebiet dem Großherzogtum Hessen (Darmstadt) als Provinz „Rhein-Hessen“ angegliedert und der Kanton Bechtheim in Kanton Osthofen umbenannt, Bechtheim blieb jedoch bis 1822 Kantonssitz.
Alle baulichen Veränderungen entsprechen bekanntlich dem jeweiligen Zeitgeist, aber so manche verschwundene Bausubstanz könnte heute zur Zierde des Dorfes beitragen. Die um 1750 erneuerte Dorfbefestigung (Wall und Graben) wurde 1804 geschleift; die vier Tore fielen 1811 der Spitzhacke zum Opfer. Das Ortsgefängnis – die Port – diente der Inhaftierung von Verurteilten und wurde erst 1971 abgerissen.
Karte etwa um 1900, nach Bau der Eisenbahnstrecke Osthofen – Gau Odernheim, Quelle mapire
Die Synagoge in Bechtheim
Die frühere Synagoge ist heute evangelisches Gemeindehaus. Das Erbauungsjahr ist nach jüdischer Zeitrechnung mit 5615 angegeben. 30 israelische Familien wohnten einst in Bechtheim. Einige weitere bauliche Überreste in Bechtheimer Anwesen zeugen von einer ausgeprägten jüdischen Kultur in Bechtheim. Eineem Ratsprotokoll von 1885 nach, waren jedoch zu dieser Zeit bereits alle israelische Familien verzogen oder nach Amerika ausgewandert.
Die Gemeinde Bechtheim erwarb das Gebäude im Jahr 1900, um es bis 1963 als Kindergarten zu nutzen. Bei der Auflösung der Synagogengemeinde wurde die Sabbatlampe einem später in die USA ausgewanderten Weinhändler als Andenken übergeben und hängt heute in der Synagoge der Gemeinde Beth Hillel of Washington Heights über der Tür des Rabbinatszimmers.